Perspektiven landwirtschaftlicher Direktvermarkter im Stuttgarter Umland – Eine Vorstudie

Steffen Abele und Sanja Rapp

English Summary:

Perspectives of Farmer Shop Marketing in the Wider Stuttgart Area, Germany – A Pre-Study From the Research Center of Omni-Channel-Marketing

The increasing demand for regional products offers opportunities for small scale farmers in the agri-food sector. In a recent preliminary study in spring of 2018 at the University of Applied Forest Sciences in the southwest-German area of Herrenberg – Tübingen – Sigmaringen, a spotlight is placed on farmer’s self-assessment of these opportunities and the obstacles to small farmer shops in exploiting the increased demand for directly marketed agricultural products. The study exemplifies where the key challenges lie and will be the starting point for a more comprehensive investigation on marketing structures and economic perspectives of small farmer shop operators in the region.

The directly marketed products are mainly meat, cereal products and, obviously regionally specific, fruit and fruit based beverages. Reasons for direct marketing are direct customer contact, but also product-specific reasons, for example, that products have to be freshly marketed or there are surpluses. Higher profit margins also play a role. Sales are mainly directly from the farm, partly also over the internet, via order form or by telephone, but also at events. Competitors are mainly other direct marketers, as well as discounters and supermarkets, while online or e-commerce is seen as a less important competition. The biggest challenges are labour availability and staff costs, especially in organization and management, while companies face fewer challenges in terms of marketing knowledge and assortment management. Most of the company’s customers are aged 40 to 50, fewer are younger, and only a few are over 60 and under 30 years old. In terms of income, marketers tend to rank their customers among the upper middle class. For the future, most companies see a stagnation of markets, only one of the companies sees further growth opportunities.

Der Trend zur stärkeren Nachfrage regionaler Produkte bietet auch Chancen für Kleinstbetriebe im Agri-Food-Sektor. In einer aktuellen Vorstudie vom Frühjahr 2018 der Hochschule für Forstwirtschaft Rottenburg im Raum Herrenberg – Tübingen – Sigmaringen wird ein Schlaglicht auf die Selbsteinschätzung dieser Potenziale und die Hemmnisse bei der Ausschöpfung der erhöhten Nachfrage seitens der Direktvermarkter geworfen. Die Untersuchung zeigt exemplarisch, wo zentrale Herausforderungen liegen und ist Ausgangspunkt für eine umfassendere Untersuchung der Vermarktungsstrukturen und ökonomischen Perspektiven von kleinen landwirtschaftlichen Direktvermarktern in der Region.

Das Design der Vorstudie

Befragt wurden sieben Kleinbetriebe mittels eines Fragebogens, der zumeist geschlossene, sowohl quantitative als auch qualitative Fragen zu den wirtschaftlichen Perspektiven, zu Kunden, zu Vermarktungskanälen und zu Marketingmaßnahmen beinhaltete. Dabei wurden einige der Betriebe persönlich interviewt, andere postalisch. Alle die Betriebe vermarkten landwirtschaftliche Produkte bzw. Lebensmittel direkt. Sie sind damit typisch für viele landwirtschaftliche Produzenten und Direktvermarkter in der Region, die mit kleinen, traditionell oft im Nebenerwerb geführten Familienbetrieben, nicht nur zur Wirtschaftskraft der Region, sondern auch zum Erhalt von Kulturlandschaften und zur Produktvielfalt im Bereich qualitativ hochwertiger Nahrungsmittel beitragen.

Die Ergebnisse zeigen die wirtschaftliche Situation der Betriebe, geben Einblicke in ihre Vermarktungswege und -systeme und lassen einen Blick auf ihre Kunden zu. Hier diskutieren wir eine Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse der Befragung.

Produktvielfalt mit dem Schwerpunkt Obst

Die teilnehmenden Betriebe verfügen über ein heterogenes Produktportfolio. Die direkt vermarkteten Produkte sind dabei überwiegend Fleisch- und Getreideprodukte und, offensichtlich regional bedingt, Obst und obstbasierte Getränke – die Betriebe befinden sich in einer der wichtigsten Streuobstwiesenregionen Europas. Zum Jahresumsatz machten nur vier Betriebe Angaben. Bei diesen Betrieben liegt dieser bei bis zu 100.000 Euro, nur ein Betrieb gab an, über 500.000 Euro Umsatz zu machen. Der Anteil der Direktvermarktung am Jahresumsatz liegt bei diesen Betrieben zwischen 10 und 80 Prozent dieses Umsatzes.

Erfolgreiche Gründung und Unternehmensnachfolge

Die Mehrheit der befragten sieben Betriebe sind Neugründungen, nur drei der Betriebe wurden übernommen. Die häufigste Begründung, warum die Betriebsinhaber als selbständige Unternehmer tätig sind, ist Unabhängigkeit – in keinem Fall wurde ein höheres Einkommen als Beweggrund genannt. Das spiegelt die Stellung der Betriebe zwischen Nebenerwerb und Hobby sowie die breite Zielsetzung – oft der Erhalt oder die Inwertsetzung von kleinen, traditionellen Landwirtschaften – der Unternehmer wider. Dennoch zeigt sich, dass die befragten Betriebe ihr Geschäft mit Erfolg betreiben: Vier der sieben Betriebe gaben an, in den letzten fünf Jahren Gewinn gemacht zu haben, keiner hatte Verlust gemacht, und drei Betriebe hatten „nur“ eine „schwarze Null“ geschrieben.

Direktvermarktung über Hof: Kundenkontakt und frische Produkte

Die Direktvermarktung ab Hof ist bei den befragten Betrieben tatsächlich der Hauptvertriebsweg, andere Vertriebswege wie der Einzelhandel oder genossenschaftliche Vertriebswege spielen nur eine untergeordnete Rolle. Gründe für die Direktvermarktung sind der direkte Kundenkontakt, aber auch produktspezifische Gründe, so zum Beispiel, dass Produkte frisch vermarktet werden müssen oder Überschüsse bestehen. Auch höhere Gewinnmargen bei der Direktvermarktung spielen eine Rolle.

Wochenmärkte kaum relevant, Internet aufwendig und Straßenverkauf schwierig

Die benutzten Vermarktungskanäle sind recht eindeutig: Hauptsächlich wird ab Hof verkauft, zum Teil auch über das Internet, via Bestellschein oder telefonisch, aber auch auf Veranstaltungen. Keine oder kaum eine Rolle spielen – zumindest bei den befragten Betrieben – Wochenmärkte, der Straßenverkauf, Selbstpflücker bzw. Feldverkauf oder Messen (Grafik 1). Eine Erklärung dafür, dass diese Kanäle für die Vermarktung nicht relevant sind, sind die für diese Kleinbetriebe relativ hohen Kosten solcher Vermarktungswege (z. B. Standgebühren oder zusätzliche Investitionen z. B. in Transport, Lebensmittelhygiene oder Standstrukturen), aber auch restriktive gesetzliche Vorschriften (z. B. beim Straßenverkauf). Das Internet wird zwar genutzt, allerdings werden auch hier in persönlichen Gesprächen mit Direktvermarktern immer wieder hohe Kosten und Verwaltungsaufwendungen, z. B. für Retouren, genannt. Eine Befragung von Demeter-Betrieben in Baden-Württemberg im Rahmen einer Studie von Spitzer und Ebner (2017) ergab, dass derzeit der Hofverkauf der wichtigste Vermarktungskanal ist, gefolgt von Wochenmärkten – was bei den hier befragten Direktvermarktern unwichtig war. Die übrigen Vermarktungskanäle sind aber bei beiden Studien ähnlich: Offline-Bestellungen und Internetbestellungen spielen bei Spitzer und Ebner (2017) ebenfalls eine Rolle, während Straßenverkauf und Messen keine Rolle spielen. Ein Unterschied ergibt sich bei der Vermarktung über Veranstaltungen: Diese sind in der vorliegenden Studie von einiger Bedeutung (z. B. über regional sehr typische Hoffeste), während sie bei der vorangegangenen Studie weniger wichtig waren (Spitzer und Ebner 2017).

Grafik 1: Direktvermarktungskanäle n-7, Mehrfachnennung möglich

Breites Portfolio an Kommunikationsinstrumenten, wenige Tools zur Kundenbindung

Die Betriebe nutzen ein diverses Portfolio an Marketinginstrumenten, insbesondere Flyer, Anzeigen, Websites und eigene Logos, aber auch Veranstaltungen. Weniger divers sind die Maßnahmen zur Kundenbindung: Hier gibt es hauptsächlich Rabatte und Geschenke.

Andere Direktvermarkter als Hauptwettbewerber

Interessant ist auch die Struktur der – wahrgenommenen – Wettbewerber: Dies sind hauptsächlich andere Direktvermarkter, aber auch Discounter und Supermärkte – auch im Bio-Bereich, während der Online- oder Internethandel zu einem geringeren Grad als Wettbewerb angesehen wird. Neuere Studien bestätigen insbesondere die Konkurrenz der großen Discounter im Bio-Bereich (Wirtschaftswoche 2018). Vermarktet wird bis zu einem Radius von über 50 km, aus diesem Umkreis kommen die Kunden.

Organisation und Managementaufwand als Hauptherausforderung

Als größte Herausforderungen werden der Arbeits- und Personalaufwand, vor allem in Organisation und Management gesehen, während sich die Betriebe hinsichtlich Marketingwissen und dem Sortimentsmanagement weniger Herausforderungen gegenüber sehen. In einer Umfrage von Dehm (2016), die elf Betriebe aus dem Streuobstbereich in derselben Region erfasste, hatten die befragten Betriebe ebenfalls Herausforderungen im zunehmenden Bürokratieaufwand, aber auch in der Organisation des Marketing gesehen.

Best-Ager, die Infos und Frische wollen, sind die wichtigsten Kunden

Die meisten Kunden der Betriebe sind im Alter zwischen 40 und 50 Jahren, weniger in den Dekaden darunter, und nur wenige über 60 und unter 30 Jahre alt. Einkommensmäßig ordnen die Vermarkter ihre Kunden eher in der oberen Mittelschicht ein, allerdings können viele der befragten Betriebe dazu keine genauen Angaben machen, ebenso wie zu Fragen der Bildung ihrer Kunden.
Diese Beobachtungen decken sich mit denjenigen anderer Studien, die Kunden für Direktvermarkter eher im oberen Alterssegment sehen (Spiller 2006). Ähnliche Ergebnisse wurden auch bei einer Befragung der Hochschule für Forstwirtschaft zum Konsum regionaler Wildprodukte erzielt: Hier lag der Altersschwerpunkt potentieller Konsumenten über 45 Jahren (Hecht et al. 2016).
Das Hauptinteresse der Kunden an Regionalprodukten liegt in der Regionalität und der Frische der Produkte, sowie der Informationsmöglichkeit über die Produkte.

Hohe Bedeutung der Stammkunden

Hoch, und zwar zwischen 70 und 95 Prozent, wird der Anteil der wiederkommenden Kunden geschätzt, auch nutzen über 80 Prozent der Kunden immer den Vertriebsweg der Direktvermarktung, sofern mehrere Vertriebswege verfügbar sind.

In Zukunft eher Stagnation als Wachstum

Für die Zukunft sehen die meisten Betriebe eine Stagnation der Märkte im Bereich der Direktvermarktung, nur einer der befragten Betriebe sieht hier noch Wachstumschancen. Entsprechend wird von den interviewten Betrieben auch wenig investiert werden, gegebenenfalls in eine Vergrößerung der Verkaufsflächen und nicht in eine Erweiterung der Produktion. In der Umfrage von Dehm (2016), die die Marktsituation und die Entwicklungschancen von Streuobst-Direktvermarktung untersuchte, hatte noch die Mehrheit der Befragten gute bis sehr gute Zukunftsaussichten angegeben.

Literatur

Dehm, A. (2016): Marktsituation und Entwicklungschancen ausgewählter agrarischer Streuobstprodukte im Handlungsfeld des Schwäbischen Streuobstparadieses – Eine Marktanalyse. Bachelorarbeit, Hochschule für Forstwirtschaft, Rottenburg.

Spitzer, S., Ebner, T. (2017): Multichannel Retailing in the Regional Food Industry – An Explorative Approach. In: Rauscher, C. (Hrsg.): Advanced E-Business Research – International Trends & Issues. Progress in IS. Frankfurt: Peter Lang Verlag.

Hecht, L., Hengstler, S. und Rieck, J. (2016): Nachfragestudie nach Wildprodukten in Rottenburg und Umgebung. Projektarbeit, Hochschule für Forstwirtschaft, Rottenburg.

Spiller, A. (2006): Zielgruppen im Markt für Bio-Lebensmittel: Ein Forschungsüberblick. Target groups for organic food: an overview. Diskussionsbeitrag 0608, Department für Agrarökonomie und Rurale Entwicklung Georg-August-Universität Göttingen.

Wirtschaftswoche: Aldi und Co. setzen Bio-Fachhandel unter Druck. [Online] 23. Juli 2018.